Versicherungsmissbrauch ein Massenphänomen
Versicherungsmissbrauch und Betrug zum Nachteil von Versicherungen (das sind tatsächlich zwei unterschiedliche Tatbestände) kommen häufiger vor als man denkt. Manche sprechen sogar von einem Massenphänomen. Immer wieder werden solche Fälle als Kavaliersdelikt abgetan. Das verkennt, dass die kumulativen Schäden enorm sind, und die Rechnung zahlen am Ende die Versicherten, nämlich über erhöhte Beiträge.
Das Dunkelfeld ist hoch, die Aufklärungsquote gering – und das hat viele Gründe. Z.T. fehlt es den Versicherern an personelle Ressourcen, z.T. hapert es an mangelnden Sachressourcen oder Kompetenzen. Ein wichtiger Grund, warum so wenig Betrugs- und Missbrauchsfälle erkannt werden, ist das Nichtvorhandensein von Verdachtsrastern und Täterprofilen.
Während unserer Arbeit als externe Ermittler und Berater im Bereich Versicherungsmissbrauch und Betrug kommt immer wieder die Frage auf, ob dieses Deliktsphänomen eine Frage des Einkommens und des gesellschaftlichen Status ist. Auf den ersten Blick scheint der Gedanke naheliegend, dass eher ärmere Bevölkerungsschichten für solche Betrugsarten anfällig sind. Ein zweiter Blick fördert aber Folgendes zu Tage:
Klientel mit mittlerem oder höherem Einkommen
Wirklich einkommensschwache Personen können sich selbst eine Versicherung oftmals nicht leisten und scheiden deshalb als Täter von vornherein aus. Eine Klientel mit mittlerem oder höherem Einkommen hat sich oftmals einen Lebensstandard aufgebaut, den es zu halten gilt. Kommt es jetzt zu wirtschaftlichen Nöten und Sorgen (schlechte Geschäfte, Verlust des Arbeitsplatzes usw.), dann ist die Versuchung groß, und es braucht nur noch Mindestmaß an krimineller Energie.
Hinzu kommt, dass das Unrechtsbewusstsein nicht immer ausreichend ausgeprägt ist, und dass man den Betrugsversuch mit vordergründigen Erklärungen zu neutralisieren versucht („Ich bekomme ja ´eh nicht alles ersetzt, da muss man doch ein bisschen draufpacken“ oder „Jetzt zahle ich schon so viele Jahre hohe Prämien, da muss doch mal was zurückkommen“). Aber selbst bei hoch Vermögenden können eine materialistische Einstellung und der Wunsch nach immer mehr dazu führen, dass bisherige Moralstandards (so sie denn vorhanden waren) über Bord geworfen werden, wenn sich plötzlich eine Gelegenheit zum Betrug auftut. Dann wird der tatsächliche Einbruch für eine exorbitant große Stehlgutliste genutzt, aus dem „kleinen“ Auffahrunfall wird ein dramatischer Verkehrsunfall mit Berufsunfähigkeit auslösendem Personenschaden. Gut Situierte sind oftmals auch bestens abgesichert und haben diverse Policen für alle Lebenslagen.
Fazit
Einkommen und Status an sich lassen keine Rückschlüsse im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Betrugsfalles zu.